Bremer Seemannsmission bringt die Bescherung an Bord
„Three Men to the airport!“ Den Kopf in den Nacken gelegt, ruft der Fahrer eines Shuttle-Services etwas unwirsch seine frohe Botschaft nach oben. Der Seemann an Deck der „Tamarack“ gibt sie schnell weiter, und bald steigen drei seiner Kollegen mit dem Koffer auf der Schulter die Gangway hinunter. Sie dürfen Weihnachten zu Hause feiern. Für alle, die zurückbleiben, bringt die Bremer Seemannsmission die Bescherung an Bord.
Diakon Magnus Deppe, Leiter der Seemannsmission, Mitarbeiter Michael Klee und der Ehrenamtliche Winfried Schumann, der früher selbst Kapitän war, kraxeln die schwankende Gangway nach oben. Seit zwei Tagen ist der 190 Meter lange Frachter, der Erz aus Liberia nach Bremen transportiert hat, in der Hansestadt. Sie haben die ungefähr 20 Mann starke Besatzung einen Tag zuvor schon besucht. Deshalb liegt im kleinen, quadratischen Aufenthaltsraum der „Tamarack“ bereits ein noch verschnürter Weihnachtsbaum. Zwei Dutzend blaue Geschenktüten stehen ordentlich arrangiert auf einem Tischchen. „Seit dem 6. Dezember haben wir ungefähr 600 Geschenke auf 70 Schiffen verteilt“, sagt Deppe. Bis zum 6. Januar geht die Aktion „Weihnachten in der Fremde“ weiter, die mit einer Spende aus dem Bürgermahl der Wilhelm-Kaisen-Bürgerhilfe finanziert wird.
Heiligabend werden die Tüten geöffnet, verrät der Smutje. Dann ist der Ingenieur, der die beiden Kräne an Bord bedient und im Notfall repariert, nicht mehr dabei. Der Japaner, der gerade auf eine Zigarettenlänge Pause macht, darf vorher nach Hause fliegen. In Bremen war er schon einmal vor langer Zeit, erzählt er Deppe. Viel gesehen hat er damals nicht, aber die Bremer Stadtmusikanten, die kennt er, betont er lächelnd. Klee steckt ihm eine Tüte mit weihnachtlichen Schokokugeln zu – made in Bremen.
Und die Seemannsmission hat noch mehr Geschenke im Gepäck – wärmende Unterwäsche, Socken und T-Shirts. „Wir haben es schon erlebt, dass die Seeleute kaum Kleidung hatten, wenn sie von Bord gegangen ist“, sagt Klee. Jacken, Pullover, Hosen und Co. findet die Seemannsmission in Kleiderkammern. „Aber Unterwäsche muss neuwertig sein“, sagt Deppe. Diese in Deutschland unter fairen Bedingungen hergestellten Produkte konnte er anschaffen, weil das Vorhaben durch die Kampagne „Orte der Wärme“ finanziert wird: Diakonie Bremen und die Bremische Evangelische Kirche unterstützen Gemeinden und Einrichtungen, die „Orte der Wärme“ schaffen und damit für warme Füße und warme Herzen sorgen.
Bei ihrem ersten Besuch an Bord der „Tamarack“ haben die Mitarbeiter der Seemannsmission erfahren, dass drei Seeleute seit September auf ihre Koffer warten. Angeblich sind sie in Frankfurt geblieben und auch schon dem Schiff hinterhergeschickt worden – aber angekommen sind sie nicht. Niemand kümmere sich richtig, bedauern die Seemänner, die größtenteils von den Philippinen stammen. Deppe hat schon telefoniert und versucht zu helfen. Jetzt gibt es zumindest einen Satz neue Unterwäsche, der sehr gerne angenommen wird – ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk.
Mit Barbecue wird der Smutje die Crew an Heiligabend verwöhnen. Dann geht es bald weiter nach Lettland und Belgien. Vorher will Michael Klee aber noch einmal an Bord kommen. „Gerstenkorn“ lautet die einhellige Diagnose, als es an den Stahlwerken vorbei zurück in den Seemannsclub gegenüber der Waterfront geht: Das Auge des einen Smutjes sah schlimm aus. Klee will versuchen, ein Medikament zu besorgen. „Support of Seafarers‘ Dignity“ - die Unterstützung der Würde der Seeleute – ist der Leitspruch der Seemannsmission weltweit. In Bremen hat dieser Einsatz viele Facetten. Nicht nur zu Weihnachten.