Für Teilhabe und Gemeinschaft

Der Abschlussbericht unseres EU-Projektes liegt vor

Gefördert von der Aktion Mensch und INTERREG

Die Partnerschaft From Isolation to Inclusion, gefördert von der INTERREG Nordseeregion beschäftigte sich damit, soziale Dienste zugänglicher und wirksamer für isoliert und in Einsamkeit lebende Menschen zu machen. Öffentliche Soziale Dienste, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft sollten gemeinsam mit Betroffenen und Gefährdeten Angebote zu entwickeln – aus unserer Erfahrung heraus wäre die Sparte der Kunst und Kulturangebote ebenfalls ein wichtiger Akteur in dieser „geflochtenen Spirale“ (Quadruple Helix). Zur Frage, wie und durch wen Innovationen in sozialen Diensten entstehen freuten wir uns über die Möglichkeit, Master-Studierende der sozialen Arbeit bei ihrem Praxisforschungsprojekt zu begleiten, das solche Innovation durch entrepreneurs in den Blick nahm und Fallstudien dazu machte. Entwicklung und Durchführung konkreter Angebote unter Beteiligung der Zielgruppen benachteiligter Menschen in Bremen wurde auch von der Aktion Mensch gefördert.

Ausgangspunkt war die Überlegung, dass aktuelle Nutzer*innen von Angeboten und Einrichtungen darauf zurückblicken, wie sie ersten Kontakt und seine Hindernisse erlebten. Viele heute in Angeboten, Einrichtungen, Kursen u.a. anzutreffende Personen haben an ihre ersten Zugänge reichliche und nicht immer gute Erinnerungen. Nicht wenige erinnern sich sogar, dass sie nicht mehr wiederkommen wollten und Besuche wirklich eingestellt hatten. Erst viel später, unter gänzlich anderen Umständen knüpften sie neu an. Zweifellos gingen Angeboten auf diese Weise Personen “verloren“, die man schon interessiert hatte, die aber keine „zweite Chance“ gaben.

Der Abschlussbericht zum Download

Nicht aktuell gehaltene Informationen über Zeiten und Orte vom Treffen, verstellte Zugangswege (Nebenräume und Toiletten eingeschlossen), widersprüchliche Informationen über Voraussetzungen und erwartete Ergebnisse und nicht zuletzt auch eine geringe Aufmerksamkeit für neu Teilnehmende durch Verantwortliche und „Stammpublikum“ gehörten zu oft genannten Problemen. Die Menschen werden über ihre Erfahrungen dann auch entsprechend berichtet haben – sicherlich keine gute “Mund-zu-Mund-Propaganda“, auf die viele Einrichtungen für ihre Reichweite bauen.

Ängste wegen Vorurteilen der bisherigen Nutzenden werden ebenfalls unterschätzt. Menschen sind sich nicht sicher, ob sie ihre Migrationsgeschichte oder zum Beispiel auch eine sexuelle Orientierung nicht verstecken oder optisch „herunterspielen“ müssten um willkommen zu sein.  Mehrere Veranstaltungen in unserem Projekt haben sich mit solchen Herausforderungen beschäftigt -  ihre Dokumentation kann noch abgerufen werden.

Es ist zu betonen, dass Betroffene aus Zielgruppen „von Beginn an“ bei der Angebotsplanung umfassend beteiligt werden müssen, um solche Effekte wenigstens zu minimieren. Da es oft doch recht lange dauert, bis eine erste Idee umgesetzt worden ist, sind solche Beteiligungen ebenfalls langwierig. Hier wäre es ein Weg, die zu „beteiligenden“ Gruppen auch im Kern der planenden Organisationen -  Anbieter, genehmigende Stellen oder extern beratende Dienstleister, fest einzubinden.

Unzweifelhaft haben viele von Lerninhalten und gesellschaftlichen Anliegen her entwickelte Angebote auch eine soziale und emotionale Komponente, derentwegen Menschen sie aufsuchen oder nach ihnen fragen – um mit anderen in Kontakt zu kommen, nicht „alleine zu Hause zu sein“ oder jedenfalls in Bewegung zu kommen. Unsere Befragungen zu kirchlichen und anderen Angeboten bestätigten diesen Punkt immer wieder - dies sollte nicht als „Fehlerquelle“ verstanden, sondern gezielt in den Blick genommen werden.

Die Arbeit der europäischen Partnerschaft hat in den Jahren der Corona Pandemie sehr stark mit digital-virtuellen Instrumenten beschäftigt, um Menschen zu beteiligten und zu erreichen und auch ihre eigene Arbeit war von virtuellen Arbeitsformen geprägt. Die Mitarbeit im „Netzwerk Digitalambulanzen“ bei der Bremer Senatorin für Soziales bot hier auch Möglichkeiten zu gegenseitiger Inspiration.

Auf den Bremer “Europawochen“ der Jahre 2020 bis 2023 haben wir jeweils Aspekte und Themen der Partnerschaft vorgestellt. 

"Inklusion - (nur) auf dem Papier?" auf YouTube

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Video vom EuropaPunktBremen

Von Wandern und virtuellen Exkursionen bis zu Kamichibai

Im Diakonischen Werk Bremen haben wir Ideen und Dienstleistungen entwickelt, die in den Einrichtungen unserer Mitglieder oder eigenen Initiativen erprobt werden konnten. Mehrere „Angebotswerkstätten“ entwickelten Ideen, über die wir auch gerne nähere Auskünfte zu Konzept und Anwendungsbeispielen geben wie

  • Wandern und spazieren gehen „mit unterschiedlicher Geschwindigkeit“ -  durch gute Ortskenntnis und mit Hilfe von Wander-Navigationssoftware können Menschen mit „komfortabler“ Laufgewohnheit und schneller Gehende gemeinsam starten, zu ungefähr der gleichen Zeit zurückkommen und wieder an einer Begegnung teilnehmen.
  • Andere Arten von Spaziergang oder Wanderung lenken – gerade in der Zeit des lock-downs häufig zu finden – die Aufmerksamkeit ganz von der Geschwindigkeit und der zurückgelegten Strecke ab, etwa wenn mit Tieren gemeinsam gewandert wird, während des Spaziergangs Anregung zum Sprechen in einer neuen Sprache gegeben wird oder es bei einem modernen Verständnis von „Pilgern“ mehr auf die Achtsamkeit für das eigene Empfinden als auf das Erreichen von Zielen ankommt.
  • Auf die anregende Wirkung von „frischer Luft“ bauten auch unsere Freiluft-Filmvorführungen, die unter dem Motto „Wo Brennt’s?“  von der Journalistin und Event-Entwicklerin Annette Wagner (AWA CrossMedia) organisiert und mit von ihr produzierten Dokumentarfilmen zu aktuellen Themen bestückt vor Wachen der Freiwilligen Feuerwehren  in Bremen Nord sowie am Begegnungszentrum St. Magnus stattfanden.
  • Virtuelle Exkursionen waren eine andere, durch die Bedingungen der Corona-Pandemie angeregte neue Entwicklung. Kultureinrichtungen und Parks haben heute oft virtuelle Galerien und Präsentationen. Zahlreiche Menschen nutzten dieses Angebot, aber vermissen die „Gemeinsamkeit“ eines Ausfluges. Das Angebot, mit den technischen Mitteln der verstärkt genutzten Konferenzplattformen solche Gemeinsamkeit virtuell zu schaffen, stieß auf einiges Interesse und hat auch nach Wiederöffnung der Institutionen mögliches Publikum („Dia und Konie virtueller Ausflugsklub“, Anfang 2023 als Angebot des Evangelischen Bildungswerkes Bremen „Museum vom Sofa“ eingerichtet).
  • Kamichibai: Dieses tragbare Theater japanischer Tradition eignet sich hervorragend für die Nutzung bei niedrigschwelligen Angeboten und Veranstaltungen für verschiedenen Zielgruppen – daher boten wir mehrere Schulungen an und fördern einen Erfahrungsaustausch.
  • Andere neue Angebote betrafen Vorstellungen von Hobbies, die Weiterentwicklung von Museumsführungen für Menschen mit Sehbehinderung, Gestaltung von „Trauergruppen“ und Schulung in der Nutzung von digitaler Konferenzsoftware für benachteiligte Gruppen. Wir beobachteten auch die Erfahrungen, die einige gezielt als „Neustart nach Corona“ gebündelt zusammengestellte Angebote machten.

Sieben Kriterien für „Zugänglichkeit“, die in der INTERREG Partnerschaft zugrunde gelegt wurden, waren ein hilfreicher Bezugspunkt: inwieweit sind Angebote physisch barrierefrei, verstehen Zielgruppen die Informationen, gibt es Voraussetzungen der Teilnahme, ist das Angebot allgemein bekannt und finanziell erschwinglich, wird es verlässlich durchgeführt und hat es den erhofften und zugesagten Nutzen tatsächlich? Wenn zum Beispiel, wie in der Pandemie oft geschehen, ein Angebot in geschlossenen Räumen abgesagt wird, könnte eine Alternative „im Freien“ eine ähnliche „Nützlichkeit“ haben, sofern sie auf ihre Weise „verlässlich“ durchgeführt wurde.

Im Rahmen der Partnerschaft haben wir auch diskutiert, welchen Einfluss der Klimawandel auf die Zugänglichkeit haben kann. Starke Hitzeperioden können Räume fast unbenutzbar machen und Menschen hindern, ihre Wohnungen zu verlassen. Für Starkregen, Trockenheit – oder stark belastende Kälte - gilt Ähnliches. Auch hier können Einrichtungen durch kreative Änderungen am Gebäude und in der Darbietung die Öffnung sichern und die Nützlichkeit ihres Programms erhöhen.

Zur Herausforderung der Einsamkeit bestätigen unser Erfahrungen und Umfragen, dass Isolationsgefährdung kein “Altersthema“ ist. Junge Menschen in Ausbildung und Erwachsene zum Beispiel während des Berufsstarts oder beruflicher Veränderungen sehen sich hier ebenso und noch stärker betroffen als Menschen zum Beispiel im Ruhestand, die nach unseren Erfahrungen sehr achtsam mit ihren „Netzwerken“ umgehen.

Der Unterschied zwischen „sozialer“ (vermissen von Hilfe) und emotionaler (vermissen von Vertrauen und Geborgenheit) Einsamkeit wurde ebenfalls immer wieder bestätigt und gerade letzterer hat in der Pandemie einen deutlichen Anstieg erlebt.

Auf einer Diskussionsveranstaltung in Bremen am 22.8.22.mit dem Präsidenten der Diakonie Deutschland Ulrich Lilie, Buchautor und Blogger zum Thema Einsamkeit, konnten wir solche Themen mit politischen und gesellschaftlichen Akteuren in Bremen diskutieren (u.a. mit Bürgermeister Andreas Bovenschulte, Forscherin Florence Samkange-Zeeb, Aktivist Joachim Barloschky).

Es scheint trotz nachweislicher „Folgekosten“ und Verstärkung anderer negativer gesellschaftlicher Trends nicht angemessen und auch in der Rückwirkung auf Betroffene gefährlich, Einsamkeit als „Seuche“, „Epidemie“ oder ähnlich zu bezeichnen. Viele Menschen schätzen und brauchen die Möglichkeit zum Rückzug aus einer Überflutung mit Reizen und zweifelhaften Informationen, zur verstärkten Achtsamkeit auf eigene Bedürfnisse. Geringe Aufmerksamkeit für eigene soziale Netze, die über die Jahre womöglich auch schwächer werden und ausdünnen können aber auch bei solcher „Freiwilligkeit“ der Isolation zur Falle werden, aus der Angebote verschiedenster Art durch Weiterentwicklung ihrer Zugänglichkeit Auswege zeigen können.

Einige Materialien aus unserer Arbeit sind hier zum Download angeboten, weitere Informationen werden gerne vom Diakonischen Werk Bremen erteilt (info@diakonie-bremen.de)

Dr. Jürgen Stein, Projektleiter

Mehr zu Inklusion und Diversität finden Sie in unserem Magazin


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