24.01.2019

Lasst uns drÜBER reden

Bürgerdialog zum Leben und Arbeiten in der Überseestadt

 

Mehr als 120 Bürger*innen waren der Einladung des Hafenklönschnack e.V., der ökumenischen Überseekirche und des Diakonischen Werks Bremen e.V. gefolgt und sind zum Bürgerdialog über das Leben und Arbeiten in der Überseestadt am 26. März 2019 in den Schuppen 2 gekommen. Ziel war es, dort mit den Menschen, die in der Überseestadt leben und arbeiten, ins Gespräch zu kommen. Zu Beginn der Veranstaltung stellte Pastor Benedikt Rogge die Ergebnisse einer Umfrage über die Lebensqualität, Chancen und Herausforderungen in der Überseestadt vor. So zeigte sich bei der Umfrage eine große Unzufriedenheit mit den Einkaufsmöglichkeiten, der Gesundheitsversorgung, dem Angebot an Schulen und dem ÖPNV. Bei der Frage, was die Befragten ändern würden zeigte sich außerdem eine Tendenz, mehr Grünflächen und Pflanzen in die Überseestadt zu bringen. Die vorgestellten Ergebnisse waren wichtige Impulse, über die in den folgenden 90 Minuten diskutiert wurden.

Als Experten und Ansprechpartner für Fragen waren auf dem Podium vertreten Frank Bischoff, Sprecher des Netzwerks Hafenklönschnack e.V., Prof. Dr. Marcus Menzl, Soziologe und Stadtplaner, Prof. Dr. Iris Reuther, Senatsbaudirektorin der Freien Hansestadt Bremen, Heiko Strohmann, Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion für Verkehr, Energie, Senioren und Aussiedler sowie Björn Tschöpe, Vorsitzender der SPD-Bürgerschaftsfraktion. Moderiert wurde die Veranstaltung von  Landesdiakoniepastor Manfred Meyer, Vorstand des Diakonischen Werks Bremen e.V.

Die Podiumsgäste waren aufgefordert, mit einem Eingangsstatement die Diskussion zu beginnen. Marcus Menzl machte gleich zu Beginn deutlich: „Soziale Nachbarschaften bilden sich nicht von allein heraus, auch nicht, wenn man einen Spielplatz baut und einige geförderte Wohnungen in den Stadtteil bringt. Es geht darum, den sozialen Quartiersaufbau als Prozess zu verstehen und diesen aktiv zu gestalten.“ Es sei wichtig zu verstehen, dass das Soziale in vielen Entscheidungen mit drin stecke.

Iris Reuther schloss daran an und betonte: „Ein Stadt- und Ortsteil ist immer auch ein Gemeinschaftswerk. Und die Überseestadt ganz besonders.“ Auch erinnerte sie daran, dass die Überseestadt zu Beginn gar nicht als Wohngebiet geplant war, sondern als (gewerblicher) „Standort der Möglichkeiten“. Deswegen sei es ihr wichtig, gemeinsam über die berechtigten Bedürfnisse der Anwohner zu sprechen und dafür Ideen und Lösungen zu entwickeln.

Björn Tschöpe (SPD) kam auf zwei wesentliche Faktoren zu sprechen: die Einkaufsmöglichkeiten in und die Verkehrsanbindung der Überseestadt. „Zu einem urbanen Wohnquartier gehört auch eine Nahversorgungsstruktur für Produkte des alltäglichen Bedarfs. Diese Struktur fehlt bisher. Daher wird Bremen als einen ersten Schritt Nebenflächen des Großmarktes zur Verfügung stellen. Hier können und sollen sich entsprechende Geschäfte wie Supermärkte, Lebensmittelhändler und ähnliches ansiedeln“, so Tschöpe. Es sei wichtig, nun schnell zu handeln und die zur Verfügung stehenden Flächen zu nutzen. In Bezug auf die schwierige Verkehrslage setze er vor allem große Hoffnung in den Wesertunnel, der hoffentlich bald gebaut würde. Erst durch ihn käme die große Entlastung für die Stausituationen. Und auch eine stärkere soziale Durchmischung der Überseestadt wünsche er sich. Das sei aber eine Aufgabe für die nächsten zehn Jahre. 

Heiko Strohmann (CDU) startete mit einen Zitat von CDU-Spitzenkandidat Carsten Meyer-Heder, den er vertrat: „Ein schöner Weserblick allein reicht nicht für ein Wohngebiet.“ Als Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion für Verkehr kritisierte er, dass jedes Verkehrskonzept für die Überseestadt nur eine Art Übergangslösung sei, da eine größere, grundsätzliche Entlastung – wie durch den Wesertunnel – fehle. Ziel sei es schließlich – neben einer höheren Taktung der Busse – mit diesen auch staufrei ans Ziel zu kommen.

Frank Bischoff stallte kurz den Verein Hafenklönschnack vor, der eine besondere Rolle habe. Die Mitglieder seien keine Anwohner oder Anwohnerinnen, sondern Unternehmer und Unternehmerinnen der Überseestadt. Es seien inzwischen rund 16.000 Mitarbeitende in der Überseestadt – das rasante Wachstum bringe auch wachsende Schwierigkeiten mit sich. Kleine Unternehmen mit interessanten Gastronomie- und Freizeitangeboten würden verschwinden, da der Standort zu teuer wird. Die Verkehrsprobleme seien problematisch für Kunden und für Mitarbeitende. Und durch zahlreiche Bauprojekte sinke auch die Aufenthaltsqualität für die Mitarbeitenden, die in der Mittagspause nirgends mehr hin können.  Deshalb fordert er im Namen seines Vereins: „Wir fordern ein starkes und entschiedenes Engagement Bremens in der Überseestadt in den Bereichen Verkehr, Kultur und Freizeit. Nur ein lebendiger und interessanter Stadtteil kann dauerhaft die hohen Erwartungen der Wirtschaft erfüllen und somit die Standortqualität für Unternehmen dauerhaft sichern.“

Nach den Eingangsstatements startete direkt die Diskussion, auch mit zahlreichen Impulsen der Bürgerinnen und Bürger. Es wurde kritisiert, dass die Wohnangebote der Überseestadt entweder hochpreisig oder günstig durch geförderten Wohnungsbau seien. Für die breite Mitte gäbe es aber keine Wohnangebote. Diesen Impuls griff Heiko Strohmann auf: „Es ist ein grundsätzliches Problem in unserer Stadt, dass nur hochpreisiger oder sozialer Wohnungsbau existiert und junge Familien dann nach Niedersachsen ziehen.“ Dafür sei die Überseestadt symptomatisch.  Auch Stadtplaner Marcus Menzl griff diesen Punkt gerne auf und hinterfragte, welche Form sozialer Mischung man eigentlich in der Überseestadt möchte. Sei es ein Block mit geförderten Wohnungen und ein Block mit Eigentumswohnungen? Oder vielleicht doch eine Mischung innerhalb eines Blocks, um Stigmatisierungen vorzubeugen?

Weitere Impulse aus dem Publikum bezogen sich auf den Fährverkehr und die Bepflanzung der Überseepromenade. Es gab aber auch sehr konkrete Detailfragen zur Dauer einer Baustelle oder zur Zukunft des Zucker-Bunkers. Nicht jede dieser Fragen konnte im Detail von den Anwesenden beantwortet werden. Aber es gab nach dem offiziellen Teil noch die von vielen genutzte Möglichkeit, persönlich ins Gespräch zu kommen und den Politikern Fragen mitzugeben, denen sie nachzugehen versprachen.

Insgesamt waren alle Anwesenden erfreut über und dankbar für den Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern, die zahlreichen wichtigen Impulse sowie die breite Identifikation mit der Überseestadt als Standort zum Leben und Arbeiten. Marcus Menzl brachte es mit Blick auf die Möglichkeiten in der Überseestadt für ein gelingendes soziales Miteinander abschließend auf den Punkt: „Bremen sollte mutiger sein!“

Das Diakonische Werk hat auf Wunsch vieler Beteiligter auch zukünftig gerne eine moderierende und vernetzende Funktion für solche und ähnliche Veranstaltungen zugesagt.

Text: Regina Bukowski

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