18. Dezember 2023

"Ort der Wärme" in der Überseestadt 

Diakonie und Bremische Evangelische Kirche unterstützen Frühstücksfreude - Wöchentliches Angebot in der Überseekirche

Es wird am Esstisch stetig kälter, als Pastorin Nora Larsen draußen vor der geöffneten Tür mit einer jungen Frau spricht, die mit ihrem kleinen Sohn Jonathan in der Überseestadt unterwegs ist. Dann kommen alle drei hinein, und es wird wieder gemütlich – wie es sich für einen „Ort der Wärme“ gehört. Die wöchentliche „Frühstücksfreude“ ist eins von 29 Projekten, die Bremische Evangelische Kirche und Diakonie Bremen in diesem Winter mit insgesamt 100.000 Euro fördern.

Heißer Kaffee und knusprige Brötchen in der Konsul-Smidt-Straße 33

Blaue und gelbe Thermoskannen mit frischem Kaffee stehen zwischen Mortadella, knusprigen Brötchen, Orangensaft und Käse. Luljeta Alku schneidet noch schnell Salatgurken und Radieschen in mundgerechte Scheiben, Andrea Schäfer-Sanogo legt Gabeln zum Aufschnitt. Einladend sieht der Frühstückstisch aus, der mitten in der Überseekirche steht. Wer hier lange Bänke, Kanzel und Orgel sucht, wird nicht fündig. Stattdessen gibt es eine Einbauküche, ein gemütliches Sofa und ein schlichtes Holzkreuz. Die Überseekirche ist in einem modernen Ladenlokal an der Konsul-Smidt-Straße 33 zu Hause. Vor der großen Fensterfront erstreckt sich die Überseewiese mit Beachvolleyplatz, Pavillon und vielen Gemüsebeeten, mal als Hochbeet, mal in Herzform angelegt.

Über dem Raum der Überseekirche und links und rechts davon befinden sich viele Wohnungen, in denen all die Menschen leben, für die die Überseekirche unterschiedlichste Angebote macht: Die Frühstücksfreude gehört dazu. „Senior*innen, Eltern mit kleinen Kindern, junge Menschen – wir laden an jedem Dienstag zwischen 9 und 10.30 Uhr alle ein, hier gemeinsam zu frühstücken, einander kennenzulernen und ins Gespräch zu kommen“, sagt Pastorin Nora Larsen.

Gäste aus Bremen, Pakistan, Gambia und Abanien

An diesem Dienstag versammelt sich eine bunte Tischgemeinschaft. Frau Lübben kommt lächelnd herein, legt eine Packung Schnittkäse auf den Tisch und freut sich über den Kaffee, den die junge Pastorin einschenkt. „Ich habe früher in Oslebshausen gewohnt“, erzählt die Rentnerin. Eine Nachbarin zog dann in die Überseestadt – und Frau Lübben tat es ihr nach. Die Wohnung sei sehr schön, „seit acht Jahren wohne ich jetzt hier, und ich vermisse nichts“. Eins vielleicht doch: „Es ist sehr ruhig. Da bin ich richtig froh, wenn ich mal Kindergeschrei höre.“ Die Tür öffnet sich, eine Mutter und ein vierjähriges Mädchen treten herein. Bei Tee und hartgekochtem Ei erzählt die junge Frau von ihrer ursprünglichen Heimat Pakistan, den vielen Klimazonen im Land und dem tollen Obstangebot dort. Ihre Tochter schnappt sich ein Bilderbuch, während ihre Mutter, die seit neun Jahren in der Überseestadt zu Hause ist, zum Handy greift. Sie will ihren Mann anrufen: „Er denkt, das Frühstück ist nur für Frauen.“

Michael Ohm ist der Gegenbeweis. Der Projektingenieur, der sich ehrenamtlich in der Überseekirche engagiert, berichtet vom Grünkohlanbau auf der Überseewiese. Der habe ihm Sorgen bereitet: „Das Gemüse wurde immer weniger.“ Der zwischenzeitliche Schnee brache ihn auf die richtige Spur: Kaninchen. In den Hochbeeten wächst die „Palme des Nordens“ jedoch ungestört und wird in der Küche zu Chips verarbeitet und demnächst auch nach einer Grünkohlwanderung serviert, erzählt der gebürtige Hannoveraner, der im Studium sein Herz an Bremen verloren hat, eigentlich aber ein Weltenbummler ist. Gemeinsam mit anderen etwas zu bauen und anzulegen, Menschen anderer Herkunft zu unterstützen, das sei ihm eine Herzensangelegenheit, berichtet er und legt sich eine Scheibe Wurst auf die Brötchenhälfte. Nora Larsen setzt noch einmal Kaffee auf.

Offene Atmosphäre und gute Gespräche

2015 ist Luljeta Alku, die schräg gegenüber von Michael Ohm Platz genommen hat, mit ihrem schwerkranken, gelähmten Mann aus der albanischen Hauptstadt Tirana nach Deutschland gekommen. In Vegesack hat sie lange Zeit in einem Flüchtlingsheim gelebt. Voller Emotionen erzählt die Chemielaborantin von ihrem Leben in Deutschland. Sie ist stolz auf ihre Deutschkenntnisse, darauf, dass sie nie aufgegeben und viel erreicht hat in Bremen. 2020 ist ihr Mann verstorben, aber für ihn haben sich alle Mühen gelohnt, erzählt sie wortreich. Zwischendrin muss sie zweimal telefonieren: „Ich übersetze für eine Bekannte, die ihren Rechtsanwalt nicht versteht.“

Ein junger Mann aus Gambia stößt hinzu, ein waschechter Bremer isst vergnügt sein Frühstück. Der kleine Jonathan verteilt derweil Legosteine in der Überseekirche.
Wer von ihnen am kommenden Dienstag dabei sein wird, weiß Nora Larsen nicht. Sie wird das Herzlich-Willkommen-Schild wieder vor die Tür stellen, Brötchen besorgen, Kaffee und Eier kochen und einen richtigen „Ort der Wärme“ schaffen.

Text: Ute Schröder

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