#5nach12: "Sehenden Auges ins offene Messer gerannt"
Landesdiakoniepastorin Karin Altenfelder fordert am Tag der Pflegenden Regulierung von Leiharbeit und die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Es ist #5nach12: Unter diesem Motto weisen am Internationalen Tag der Pflegenden (12. Mai) Diakonie Deutschland und der Deutsche Evangelische Verband für Altenarbeit und Pflege e.V. (Devap) eindringlich auf die Situation in der Pflege hin. „Die Missstände und die Herausforderungen sind allen bekannt – aber trotzdem ist in den vergangenen Jahren zu wenig passiert. Im Gegenteil: Wir sind in Deutschland sehenden Auges ins offene Messer gerannt“, mahnt Landesdiakoniepastorin Karin Altenfelder, Vorständin des Diakonischen Werkes Bremen, an. „Es ist wirklich fünf nach zwölf.“
Fach- und Arbeitskräftemangel gehört zu den bedeutendsten Problemen im Pflegesektor – und dieser wird noch größer, da in den kommenden zehn Jahren bundesweit eine halbe Million Pflegekräfte in den Ruhestand gehen. Die Diakonie Bremen wirbt intensiv um neue Mitarbeitende und junge Menschen, die einen Freiwilligendienst in diesem Sektor leisten, denn der sei oft die Eintrittskarte in die Pflege. Karin Altenfelder wundert das nicht: „Menschen, die auf Pflege angewiesen sind, zu begleiten, ist eine herausfordernde, aber auch eine sehr erfüllende Aufgabe“, betont die Diakonie-Vorständin. „Und sie wird aufgrund des Tariftreuegesetzes auch in Bremen gut bezahlt.“ So erhalten die Pflegekräfte in diakonischen Häusern meistens den kirchlichen AVR oder einen vergleichbaren Tarif.
"Leiharbeit in der Pflege belastet die Stamm-Belegschaft enorm."
Dies sei ein Grund dafür, dass die diakonischen Pflegeeinrichtungen noch größtenteils ohne Leiharbeit auskommen. „Das ist erfreulich, denn die Leiharbeit in der Pflege belastet die Stamm-Belegschaft enorm.“ Wer auf Zeitarbeit angewiesen sei, habe das Problem, dass die Teamstruktur und das Miteinander Risse bekommen. So könnten Mitarbeitende von Zeitarbeitsfirmen sich ihre Arbeitszeiten quasi aussuchen, die unbeliebten Dienste am Wochenende und in der Nacht blieben dann für die festangestellten Personen übrig. „In puncto Leiharbeit in der Pflege müssen deshalb schnellstmöglich Regulierungen her“, sagt Vorständin Altenfelder. Es dürfe nicht sein, dass es dauerhaft zu einer Besserstellung der Zeitarbeitskräfte komme.
Um Menschen für die Arbeit in der Pflege zu begeistern und sicherzustellen, dass sie dort auch lange bleiben, benötigt es aber auch eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf und dafür in puncto Arbeitszeit flexiblere Modelle der Beschäftigung – insbesondere, weil in der Pflege viele Frauen beschäftigt sind.
Auch die Kostensteigerungen bereiten Karin Altenfelder Sorgen. „Sie werden 1:1 auf die zu Pflegenden abgewälzt. Das hat schon jetzt zur Folge, dass sich nicht mehr jede und jeder Pflege leisten kann. Viele sind auf sich alleingestellt. Ich befürchte, dass es verstärkt zu Hilflosigkeit, Einsamkeit und auch Verwahrlosung pflegebedürftiger Menschen kommt.“ Sie plädiert daher für eine bezahlbare, individuelle Pflege im Quartier. Gerade letzteres gehe aber nur mit einer grundlegenden Reform der Pflegeversicherung. „Wir müssen vielmehr die Bedürfnisse der Pflegebedürftigen in den Blick nehmen als Kostenpauschalen. Denn manchmal ist das Mensch-ärgere-dich-Spiel wichtiger als die Dusche.“